Mysteriumsabteilung

Zaubersprüche: Von Abrakadabra zu Avada Kedavra

Die Reihe #Potterwissen soll die Bande zwischen Realität und Wizarding World knüpfen. In dieser Reihe gehen wir auf „echte Magie“ und Mythologie ein und wie dieser die Harry-Potter-Werke beeinflusst hat.

Avada Kedavra ist wohl der gefährlichste Fluch in der Wizarding World. Er nimmt sofort das Leben dessen, der getroffen wird. Ohne äußere Schäden, ohne Wunden, vielleicht sogar ohne Schmerz, verlässt das Leben einfach den Körper. Deshalb ist er auch einer der drei unverzeihlichen Flüche, die einem eine direkte Haftstraße in Askaban einbringen können:

  • Der Imperius-Fluch gibt dem aussprechenden Magier die totale Kontrolle über das getroffene Individuum;
  • Der Crutiatus-Fluch foltert den getroffenen bis hin zu unerträglichen Qualen, jedoch ohne ihn zu töten;
  • und eben Avada Kedavra, der den getroffen sofort tötet.1

Phonetisch ist es nahe liegend, dass Avada Kedavra und Abracadabra miteinander verbunden sind. Klingen sie doch schnell gesprochen fast identisch. Schauen wir uns an, woher die berühmte Zauberformel stammt, die heute von Bühnenillusionisten genutzt wird, um Kaninchen aus dem Hut zu ziehen und die jedes Kind schon im frühen Alter lernt, wenn es mit dem schwarzweißen Zauberstab spielt.

Woher stammt Abracadabra oder Abrakadabra?

Das offensichtliche zuerst: Abrakadabra und Abracadabra sind simple Entsprechungen voneinander. In europäisch-stämmigen Sprachen hat sich im Laufe der Zeit entweder das K oder das C als Buchstabe für einen harten K-Laut entwickelt. Somit handelt es sich hier einfach um Übersetzungsunterschiede, alter Sprachen, die eher vom gesprochenen, als vom geschriebenen Wort lebten.

Haus in Barcelona
Photo credit: LeonKa –Kafre– on VisualHunt / CC BY

Die Herkunft des Wortes selbst ist jedoch umstritten:

  • Manche Quellen gehen davon aus, Abracadabra ist eine Verlängerung des Wortes Abraxas.2 Verlängert worden Wörter beispielsweise um ein Mantra daraus entstehen zu lassen, oder es eben als Zauberformel zu einer passenden Körperbewegung zu nutzen. Zieht man die griechische Zahlenlehre zu Rate und das griechische Schreibweise von Abraxas, nämlich ΑΒΡΑΣΑΞ, steht jeder der Buchstaben für eine Zahl (in etwa wie die uns bekannten römischen Zahlen). In Summe ergäbe ΑΒΡΑΣΑΞ dann 365. Dass dieses Wort jedoch magisch ist, weil es genau der Tagesanzahl eines Jahres entspricht, dürfte sehr fraglich sein. Schließlich wurden Abraxas und Abracadabra schon im zweiten Jahrhundert nach Christus genutzt. Der gregorianische Kalender, der das Jahr aber auf 365,25… Tage definiert, stammt jedoch erst aus dem 16. Jahrhundert.
  • Eine andere Erklärung ist, dass sich Abrakadabra von der hebräischen Übersetzung von „Vater, Sohn und heiliger Geist“ ableitet, also „Ab, Ben, Ruach Hakodesh„. Phonetisch fast schon abwegig sind aber wohl doch leichte Parallelen feststellbar.3
  • J.K. Rowling selbst hat sich wohl auf Aramäisch bezogen, wo es den Satz „Avra Kadavra“ laut ihr „Zerstöre das Ding“ heißt. Eine bessere Übersetzung von „Avra Kadavra“ ist aber wohl: „Was ich sage, geschehe!“ Das erklärt wohl auch, warum man es als Zauberspruch nutzt um Dinge geschehen zu lassen.

Wie wurde Abrakadabra genutzt?

Der Römer Quintus Serenius beschrieb schon im zweiten Jahrhundert die magische Bedeutung des Wortes, die selbst aber schon deutlich älter sein kann. Das Ritual dazu sah vor, Abrakadabra untereinander zu schreiben und dabei in jeder neuen Zeile einen Buchstabe entfallen zu lassen, bis nur noch ein A übrig blieb.4 Dies sah dann so aus:

ABRAKADABRA
BRAKADABRA
RAKADABRA
AKADABRA
KADABRA
ADABRA
DABRA
ABRA
BRA
RA
A

Während man schrieb, sollte man die Worte auch laut aussprechen um die Wirkung zu verstärken. Diesen Zettel formte man dann in die gegebene Pyramidenform und trug ihn in einem Talisman um den Hals oder dauerhaft in der Hand. Man versprach sich davon eine heilende Wirkung. Quintus Serenius soll diese Wirkung in seinem Werk Liber Medicinalis (Medizinischer Rat) bestätigt haben.5

Der Londoner Schriftsteller Daniel Dafoe beschrieb in seinem 1722 erschienen Werk Die Pest zu London noch das noch im 18. Jahrhundert an die heilende Wirkung von „Charms“, also Zaubersprüchen und Talismanen, geglaubt wurde:

Die Menschen täuschten [sich selbst]; und zwar durch das Tragen von Zaubersprüchen, Filtern, Exorzismen, Amuletten, und ich weiß nicht welchen Mitteln, um den Körper mit ihnen gegen die Pest zu stärken; als ob die Pest nur eine Art Besitz eines bösen Geistes wäre; und dass man sie mit Kreuzungen, Tierkreiszeichen, Schriftstücken, die mit so vielen Knoten gebunden sind, und bestimmten Worten oder Figuren, die darauf geschrieben sind, wie insbesondere das Wort Abrakadabra, in Dreieck- oder Pyramidenform, abhalten soll […]

Die armen Menschen die Unzulänglichkeit dieser Dinge entdecken mussten und wie viele von ihnen anschließend auf den Leichenwagen davon gefahren wurden.6

Stammt Avada Kedavra nun von Abrakadabra ab?

Die Frage kann man nur mit einem klaren Ja und Nein beantworten. In so alten linguistischen Fragen ist es immer schwer, eine klare Aussage zu treffen. Interessant ist aber dennoch, dass J.K. Rowling eine Quelle für ihren Zauberspruch angibt, die auch eine Quelle für Abrakadabra sein könnte. Betrachtet man noch den Fakt, dass Kadavra das türkische Wort für Körper ist, könnten alte Wortabstammungen also auch „Zerstöre den Körper“ heißen.

Passender könnte eine Wortherkunft für einen Todesfluch doch beinahe nicht mehr sein. Abseits dessen, selbst wenn der Spruch so etwas wie „Mein Wille geschehe!“ heißt, wäre dies ja passend, da der Wille des Aussprechenden ja ist, sein Gegenüber zu töten.

Quellen:

1 Rowling, J.K.: Harry Potter und der Feuerkelch
2 Brockhaus Enzyklopädie Online: Abrakadabra Versionsdatum: 2020-03-22
3 Allgemeines deutsches Conversations-Lexicon für die Gebildeten eines jeden Standes, Band 1
4 Lysir, Frater: Magisches Kompendium – Exorzismen, Mantren und Beschwörungen
5 Brockhaus Enzyklopädie Online: Quintus Serenus Versionsdatum: 2020-03-22
6 Dafoe, Daniel: Die Pest in London

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